07.10.2011

Stellungnahme aus der Sicht des Fan-Projekts Bremen zum "Hooligan-Prozess"

Das Fan-Projekt Bremen möchte zum Abschluss des Prozesses des Bremer Amtsgerichts gegen 7 Täter des OstKurvenSaal-Überfalls noch einmal Stellung beziehen.

Als vor mehr als 4 Jahren die Party einer antirassistischen Fangruppe im OstKurvenSaal des Fan-Projekts Bremen von neonazistischen Hooligans überfallen wurde, waren die Jugendlichen geschockt und zutiefst verunsichert. Erst nach einiger Zeit waren sie in der Lage, ihre Angst zu überwinden und bereit, Aussagen zu machen. Dies wurde von Seiten Werders, der Polizei und der Staatsanwaltschaft auch von ihnen gefordert.

Nach dreieinhalb Monaten hatten dann um die 60 Fans, die bei der Party anwesend waren, Aussagen über den Tathergang bei der Polizei gemacht. Dann geschah 4 Jahre lang nichts, was den Prozess betraf. In dieser Zeit hatten die rechten Hooligans die Gelegenheit, die Fans weiter zu verunsichern und sie zu bedrohen. Dass diese Bedrohungen nicht von der Staatsanwaltschaft aufgenommen werden konnten, lag zum einen daran, dass die Bedrohungen subtil abliefen und zum anderen die Bedrohten sich nicht trauten, als Einzelpersonen Anzeigen zu machen, um nicht wieder ins Visier von Hooligans zu geraten. Schließlich hatten sie es ja mit einer Personengruppe zu tun, die im Laufe ihres Lebens gelernt hat zu bedrohen, Angst zu verbreiten und wenn es sein muss auch zuzuschlagen.

Als nun der Prozess begann, waren um die 40 Zeugen - trotz aller Angst - bereit, ihre Aussagen vor Gericht zu machen. Doch gleich am ersten Tag des Prozesses, wurde von Seiten des Richters den Angeklagten und ihren Anwälten ein Deal vorgeschlagen, den Prozess gegen ein Geständnis ihrer Taten und Bußgeld zu beenden. Der noch am selben Tag geladene Zeuge wurde wieder ausgeladen, nachdem das Gericht seinen Namen und seinen Studienplatz öffentlich bekannt gegeben hatte. Außerdem machte das Gericht deutlich, dass es sich nicht um einen politisch motivierten Überfall von Neonazis gehandelt hätte, sondern um einen Konflikt zweier Fangruppen von Werder Bremen.

Doch dies war bei weitem nicht alles. Circa 20 Nazis und Hooligans hatten das Amtsgericht geentert. Die teilweise Vermummten bedrohten, bepöbelten und fotografierten Zuschauer im Amtsgericht und sogar im Gerichtssaal, ohne dass die anwesenden Beamten oder Richter einschritten. Am zweiten Prozesstag war dann zwar Schluss mit dem Hooligantreiben am Amtsgericht, doch die rechten Hooligans wurden zu ausgesprochen milden Strafen verurteilt, nachdem sie ihre Taten gestanden hatten.

Das Fan-Projekt Bremen, das seit nunmehr 30 Jahren in der Werderfanszene arbeitet, stellt deshalb noch mal unmissverständlich klar:


1. Der Überfall auf die Party von antirassistischen Fans im OstKurvenSaal des Fan-Projekts Bremen war politisch motiviert. Es ging darum, diese Fans mundtot zu machen und ihr antirassistisches, zivilgesellschaftliches und demokratisches Engagement zu zerstören. Dies hätte das Amtsgericht zur Kenntnis nehmen müssen.

2. Die Werderfans haben sich rechtstaatlich korrekt verhalten und Aussagen zum Tathergang gemacht und sich als Zeugen dem Gericht zur Verfügung gestellt, trotz ständiger Bedrohung durch rechte Hooligans.

3. Die Werderfans haben nach dem Überfall ihr zivilgesellschaftliches Engagement verstärkt und gemeinsam mit dem Fan-Projekt Bremen die Antidiskriminierungs-AG "Werderfans gegen Diskriminierung" gegründet. Für diese Arbeit haben sie mehrere Auszeichnungen, wie zum Beispiel den Aktivpreis des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (Berlin) oder den Bremer Senatspreis "Dem Hass keine Chance" erhalten. So wurden sie vom Bürgermeister Jens Böhrnsen persönlich für ihre Courage und für ihren Einsatz gelobt.

4. Das Engagement der Werdefans wurde diesen Mittwoch wieder deutlich, als sie ein Bündnis mit zivilgesellschaftlichen Gruppen bildeten und in kürzester Zeit eine beachtenswerte und ausgesprochen lebendige und friedliche Demonstration auf die Beine stellten und auf diese Weise verdeutlichten, dass sie sich nicht einschüchtern lassen und zusammenhalten.

5. Das Gericht hat nun durch die milden Strafen dem Treiben von Nazis und Hooligans in Bremen nichts entgegengesetzt. Dabei ist bei diesen autoritären und gewalttätigen Gruppen besonders wichtig, deutliche Grenzen zu setzen. Zugeständnisse, zaghaftes und langsames Handeln durch rechtsstaatliche Organe werden in der Szene der rechten Hooligans als Schwäche ausgelegt und werden dazu führen, dass diese Gruppe sich in ihrem Handeln bestärkt sehen wird.

6. Der Prozessverlauf führt dazu, das Rechtsempfinden junger Menschen nachhaltig zu stören. Es existiert kaum mehr Vertrauen in die Justiz - vor allen Dingen hinsichtlich des Schutzes, welcher insbesondere den Opfern und Zeugen zukommen sollte und steht den Bemühungen, Zivilcourage zu fördern, massiv entgegen.

7. Das Fan-Projekt Bremen wird gemeinsam mit den Werderfans seine Anstrengungen gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus beim Fußball verstärken und fordert alle Bremer Bürger auf, sich mit den Werderfans zu solidarisieren und sie zu schützen. Diese Fußballfans verdienen höchsten Respekt und alle gesellschaftliche Anerkennung. Eine Entschuldigung durch die Verantwortlichen der Stadt für das, was ihnen widerfahren ist, ist das Mindeste.

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